Das menschliche Gehirn ist sehr komplex: Es besteht aus etwa 86 Milliarden Nervenzellen, die durch Billionen von Synapsen miteinander verbunden sind. Die Gehirnentwicklung dauert Jahre und ist stets im Wandel
3. Schwangerschaftswoche
Gehirn- und Nervenentwicklung beginnt – Im Gehirn des Embryos werden täglich massenhaft neue Neuronen und Synapsen gebildet – soviel, dass es zeitweise viel zu viele von ihnen gibt. Das führt zur Konkurrenz: Nur die mit den stabilsten Verbindungen bleiben bestehen und bis zu 80% werden wieder abgebaut. So stellt sich das Gehirn auf seine Umwelt ein.
6. Schwangerschaftswoche
Die Anlagen zu den großen Hirnstrukturen wie Brücke und Kleinhirn, Thalamus, Basalganglien und Großhirnrinde entstehen
ab der 20. Schwangerschaftswoche
Besonders im mittleren Zeitraum der Schwangerschaft wird die Architektur des Gehirns entwickelt
Es zeigte sich, dass im Gehirn zuerst die Bereiche für die Sinneswahrnehmungen entwickelt werden und dann erst etwa vier Wochen später die Bereiche für komplexere, kognitive Fähigkeiten.
40. Schwangerschaftswoche
Das Gehirn ist mit der Geburt noch nicht fertig – ab jetzt beginnt ein enormes Wachstum.
Bei der Geburt besitzt der Mensch die vollständige Anzahl seiner Neuronen. Abgeschlossen ist unsere Gehirnbildung allerdings erst mit ca. 20 Jahren.
Äußere Einflüsse sind z.B. Umwelteinflüsse wie radioaktive Strahlung, Infektionskrankheiten, Drogen und Medikamente, aber auch ihre Nährstoffversorgung: Ist die Mutter mit allen wichtigen Nährstoffen versorgt, die der Fötus braucht?
Hierzu zählen vor allem Folsäure, Vitamin B12 + D und Jod in Kombination mit Mischkost.
Aber auch innere Einflussfaktoren können für die Entwicklung relevant sein.
Hierzu zählen z.B. die Gesundheit und die Gene der Mutter – wenn sie über bestimmte (Vor-)erkrankungen oder Genkonstellationen verfügt, können diese Faktoren ebenfalls Einfluss auf den Fötus nehmen.
Die Hirnveränderungen in Folge von Stress und Angst entstehen, weil der Fötus sich evolutionär “wappnet”, um später in einer möglicherweise gefährlichen Umgebung zu überleben.
Eine vergrößerte Amygdala kann z.B. Angst fördern – dies kann zu höherer Wachsamkeit führen, um Gefahren schneller zu erkennen. In einer sicheren Umwelt kann diese sensible Reaktion von Nachteil sein und Angsterkrankungen und andere psychische Auffälligkeiten begünstigen.
In einem Review von 2007 wird diskutiert, wieso 15% der Kinder stark gestresster Mütter später an ADHS, Depressionen oder Verhaltens- oder Sprachverzögerungen leiden.
Das dazugehörige wissenschaftliche Review der Epidemiologin Dr. Nicole Talge finden Sie hier.
Die körpereigenen Stresssysteme werden darauf eingestellt: das Kind ist schneller und häufiger gestresst. Zukünftig benötigt es diesen Stress, um sein volles Potenzial zu entfalten. Die Stressachse
(= die Aktivierungskette innerhalb der Stresssysteme) wird hyperaktiv.
Aber keine Sorge: bei kurzweiligen Stresszuständen wurde bisher keine solche Veränderung bei den Kindern beobachtet.
Dies wurde vor allem bei Personen mit einem dauerhaft erhöhten Stresslevel festgestellt.
Das Gehirn reguliert Stress hauptsächlich durch den Hippocampus und den Hypothalamus.
Die Forscherin Tracy Bale hat in einer Tierversuchsstudie die frühe Stressimpfindsamkeit untersucht.
Hier finden Sie diese Studie.
Tiermodelle lassen vermuten, dass die Aktivität der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse und das hieraus entstehende hormonelle Endprodukt Cortisol Einfluss auf die Entwicklung dieser Eigenschaften und Erkrankungen haben können. Durch Stress werden im Gehirn über die HHN-Achse Glukokortikoide wie Cortisol und Cortison ausgeschüttet.
Die aktuelle Forschung konzentriert sich deshalb genau auf diese Hirnbereiche – wie genau die Veränderungen im Gehirn des Fötus durch Stress entstehen ist aktuell noch unklar.
Es gibt aber eine Vermutung:
Durch Ängste um die bevorstehende Geburt oder die Gesundheit des Babies (= Pregnancy-related anxiety) verändert sich offenbar die Plazenta.
Plazentaforscher:innen vermuten, dass Umwelteinflüsse wie mütterlicher Stress z.B. den Aufbau der Plazenta, die Hormonausschüttung von Trophoblasten, ihren Blutfluss, die Gefäßverbindung, die Immuntoleranz und andere Funktionen der Plazenta stören können.
Was entscheidet darüber, ob Föten von den Auswirkungen des Stresses beeinflusst werden?
Entscheidend sind: der Zeitpunkt des empfundenen Stresses im Schwangerschaftsverlauf und die individuelle Vulnerabilität (= “Verwundbarkeit”)
– man kann also sagen: die 85% haben quasi Glück, dass die Mutter den Stress oder die giftigen Einflüsse zur “richtigen” Zeit verarbeitet (z.B. zu einer Zeit, in welche beim Fötus weniger oder unbedeutendere Neuroentwicklungen ablaufen).
Aber auch Faktoren wie ein funktionierendes Immunsystem, ein guter mütterlicher Stoffwechsel und eine eher proteinreiche Ernährung können einen positiven Einfluss haben.
Und Forscher:innen sind sich einig: Föten sind unterschiedlich genetisch empfänglich!
Tierexperimente mit Ratten haben gezeigt, dass musikalische Umgebungen Einfluss auf die kortikale Organisation und den Aufbau von Synapsen (Synaptogenese) hatten.
Musik könnte somit langanhaltende plastische Effekte und neuronale Vernetzungen des heranwachsenden Gehirns verbessern.
Dies wäre ebenfalls für andere Erkrankungen oder Eigenschaften mit fehlerhaften Synapsenbildungen interessant – z.B. bei Legasthenie, Schizophrenie oder Autismus: Hierbei kommt es beim Fötus offenbar zu Entwicklungsstörungen an den synaptischen Verbindungen zwischen Neuronen.
Hirnuntersuchungen bei Föten werden aktuell noch nicht flächendeckend durchgeführt – nur beim freiwilligen Organscreening ab der 22. SSW können Hinweise auf mögliche Fehlbildungen auffallen. Und dabei gilt: Je eher man weiß, dass eine Entwicklungsverzögerung des Ungeborenen vorliegt, desto rascher lässt sich medizinisch oder therapeutisch gegensteuern – ob bereits während der Schwangerschaft oder als Förderungsmaßnahmen nach der Geburt.
Gesellschaftlich wird werdenden Eltern oftmals signalisiert, dass Schwangerschaften stets mit positiven Gefühlen verbunden sind. Viele Betroffene trauen sich deshalb nicht, ihre Gefühle zu äußern, wenn diese mit negativen Gedanken verbunden sind.
Dabei ist wichtig:
Wenn Du merkst, dass es Dir psychisch nicht so gut geht, hast Du jederzeit die Möglichkeit, Dich an Deine:n Ärzt:in oder eine Beratungsstelle zu wenden. Du hast das Recht auf professionelle Unterstützung.
Hierbei könnt ihr gemeinsam schauen, was ihr braucht – ob vor/während/oder nach der Schwangerschaft.
Für eine entspannte Zeit – für Dich und Dein Kind :)